Liezi, Buch IV, Kap.2

Der Hohe Präfekt des Reiches Chen besuchte auf einer Mission im Reiche Lu den Herrn dieses Reiches, Shu Sun.
Shu Sun sagte: „In meinem Reich haben wir einen Weisen.“
„Ist es nicht Kongzi (Konfuzius)?“ fragte der Präfekt von Chen. „Genau“, war die Antwort.
„Und wie weiss man, dass er weise ist?“
Shu Sun antwortete: „Ich habe oft Yan Hui sagen gehört: ‚Kongzi kann ohne sein Herz zu benutzen seine Form brauchen’.“
Der Hohe Präfekt von Chen sagte: „In unserem Reich haben wir auch einen Weisen. Wusstet Ihr das?“
„Einen Weisen? Wie heisst er?“ fragte der andere.
„Unter den Schülern von Lao Dan (Laozi) gibt es einen, Kangcangzi, der das Dao von Lao Dan bekommen hat. Er kann mit den Ohren sehen und mit den Augen hören.“
Als er das hörte, war der Fürst von Lu sehr beeindruckt. Er schickte eine wichtige Persönlichkeit mit Geschenken, um Kangcangzi einzuladen. Dieser nahm die Einladung entgegen und kam.
Der Fürst von Lu befragte ihn achtungsvoll und Kangcangzi antwortete:
„Was man über mich erzählt, ist falsch! Ich kann zwar ohne meine Ohren hören und ohne meine Augen sehen, aber den Gebrauch von Ohren und Augen kann ich nicht austauschen!“
„Noch seltsamer!“, sagte der Herr von Lu. „Und wie wird das gemacht? Das möchte ich noch hören!“
Und so antwortete Kangcangzi:
„Mein Körper vereinigt sich mit dem Herzen, das Herz vereinigt sich mit dem Qi, das Qi mit dem Geist und der Geist mit dem Nichts. Ein Ding mag es extrem klein sein, ein Ton mag es extrem schwach sein, so weit entfernt wie acht Wüsten oder so nah wie auf meine Augen geklebt;
wenn sie auf mich treffen, werde ich sie mit Sicherheit erkennen. Ich weiss aber nicht, ob ich sie durch die Glieder und Sinnesorgane oder durch das Herz, den Bauch und die sechs innere Organe wahrnehme. Ein spontanes Erkennen ist es, einfach so!“
Der Fürst von Lu zeigte sich völlig befriedigt. Am nächsten Tag erzählte er es Kongzi; der lächelte und sagte nichts dazu.